Takayama Spring Matsuri -- ein Städtchen in den Bergen und zwölf historische Festwagen beim Nachtumzug 14.4.2016
Das Städtchen Takayama, das im nördlichen Gifu liegt, ist bekannt für seine Matsuri. Und davon hat es zwei im Jahr: Das Frühlings-Matsuri wird vom Hie Jinja, auch Sanno-sama (Berggott) genannt im Süden der Stadt organisiert. Am 14. und 15. April wird mit diesem Matsuri der Frühling begrüßt und um gute Ernte und Frieden gebetet.
Beim Spring Matsuri kommen zwölf reich verzierte Festwagen zum Einsatz, von denn etliche eine machanisch bewegte Puppe auf ihrem Aufbau haben. Jeder der Wagen hat in einer Nachbarschaft in der Stadt seine Garage und wird von der örtlichen Gemeinschaft liebevoll gepflegt. Das Matsuri findet seit den 1690er Jahren statt und seit etwa 1700 sind diese Festwagen im Einsatz.
Das Herbstfest am 9.-10. Oktober hat seinen Ursprung in einem Erntedankfest und wird um den nördlichen Hachimangu-Schrein abgehalten. Beim Herbstfest kommen elf andere Festwagen zum Einsatz, insgesamt verfügt Takayama also über 23 Festwagen. Neben dem Hachimangu-Schrein befindet sich eine Ausstellungshalle für Festwagen (Takayama Matsuri Yatai Kaikan), in der im Zeitverlauf abwechselnd einige der Festwagen besichtigt werden können.
Ich fuhr von meinem Übernachtungsort Toyama mit dem Limited Express “Wide View Hida” in etwa eineinhalb Stunden dorthin. Der Zug hatte nur einen nicht-reservierten Wagen und ich hatte Glück, noch einen Platz zu bekommen, einige Leute mussten stehen. Es ist also ratsam, zu reservieren oder sich geschickt am Bahnsteig aufzustellen und im Wagen lieber denerstbesten Platz zu nehmen, als wählerisch zu sein und am Ende überhaupt keinen mehr zu finden. Auf der eingleisigen Strecke musste der Dieseltriebwagen in Hida-kokufu kurz vor dem Ziel auf den Gegenzug warten. Hier im Gebirge ist die Kirschblüte noch am Höhepunkt.
In Takayama angekommen, ist die Touristeninfo gleich vor dem Bahnhof. Eine “Spazierkarte” gibt es sogar in deutscher Sprache, das Faltblatt “Takayama Spring Festival/Takayama Autumn Festival” immerhin auf Englisch, der Zeitplan für das aktuelle Fest und eine Skizze zur Route der Nachtparade liegt als einzelnes Blatt bei. Ich fühlte mich sehr gut versorgt mit den nötigen Informationen.
Das Takayama Matsuri wird als eines der drei schönsten Feste Japans bezeichnet (neben dem Chichibu Nachtfest im Dezember und dem Gion Matsuri in Kyoto im Juli). Entsprechend ist das Publikum ziemlich international. Ich hörte auch viele deutsche Stimmen heraus. Ein Ehepaar, mit dem ich mich sehr nett unterhielt und eine Weile gemeinsam herumspazierte, ist aus Deutschland nach Australien ausgewandert und war nun auf einem Zwei-Wochen-Trip durch Japan. Vier der Festwagen waren auf einem zentralen Platz aufgestellt und drei davon zeigten dort am Samstag zweimal das Puppenspiel, von 11:00-11:50 und von 15:00-15:50, wir erwischten gerade noch das Ende der ersten Vorführung.
An dieser Stelle war es schon recht belebt, aber nirgends war ein schlimmes Gedränge.
Die Puppen fahren an einem Balken nach vorne, so dass sie rundherum gut zu sehen sind. Hier “spielt” gerade der Festwagen Ryujintai als letzter der Vormittagsaufführung.
Jenseits der Brücke sind weitere acht Festwagen auf dem Straße zum Schrein aufgereiht. Nicht nur die Vorderseite, auch die Rückseite, die bei vielen Wagen mit einem Hängebild verziert ist, und natürlich die Seiten sind faszinierend. Jeder einzelne Wagen vereinigt Kunstschreinerei, Schnitzerei, Malerei, Stickerei und Knüpfkunst, Metallarbeiten für die Beschläge, Vergoldung und vermutlich weitere Disziplinen zu einem Gesamtkunstwerk.
Takayama hatte früher einen Ruf als Stadt der besten Schreiner, und viele Gebäude beispielsweise in Kyoto wurden von hiesigen Schreinern gebaut.
Die Stickereien an diesem Wagen sind sehr farbstark und wirken dreidimensional.
Jeder Wagen hat seinen eigenen Charakter. Hier posieren zwei der Wagenbetreuer des Festwagens Daikokutai bereitwillig mit einem Touristen.
Der untere Teil der Seitenwand dieses Wagens ist mit geschnitzten Löwen verziert.
Während des Umzugs sind die Wagen mit Leuten besetzt. Teilweise sitzen Kinder auf der oberen Plattform, oder im inneren befinden sich Musiker, die Tromeln und andere Instrumente spielen. Bei den Wagen mit Puppen müssen auch Steuerleute dabei sein. Der Einstieg befindet sich wohl meistens auf der Hinterseite.
Ist das nicht eine prächtige Kombination aus Rahmen und Beschlägen, Textilien, Schnitzwerk, Gold, Kugeln und Quasten?
Ebisu ist der Shinto-Gott der Fischer, kein Wunder also, dass die Figur auf dem Festwagen Ebisutai eine Angelrute hält.
Die Festwagen stehen tagsüber, sie werden erst zur nächtlichen Parade durch die Stadt gezogen. Um 13 Uhr aber macht sich eine Prozession auf den Weg, die den Mikoshi als Mittelpunkt hat, das ist ein beweglicher Schrein, in den vor dem Matsuri mit einem Ritual der Kami (die Gottheit) aus dem örtlichen Schrein umgesetzt wird, damit die Gottheit durch den Ort getragen werden kann.
Hier bringt sich der Zug gerade in Stellung:
Der Zug war sehr lang, und ich kann hier nur ein paar Beispiele aus der Zusammensetzung geben.
Wichtig wirkende Männer und Schreinpriester mit grünen Zweigen und Shide (Zickzack-Papierstreifen):
Dazwischen immer wieder ältere Herren. Die Klangschalen sind geradezu schmerzhaft laut, wenn sie so nahe mit dem Holzhammer geschlagen werden:
Trommler, noch mehr Leute, Fahnenträger. Männer in grünen Roben mit Querflöten:
Das sieht fast wie eine leichte Rüstung aus:
Eine Trommel mit besonders verziertem Traggestell, eine Klangschale mit besonders verziertem Traggestell. Männer mit der Mundorgel Sho:
Nun wird ein kleiner Mikoshi vorbeigetragen.
Diese Herren sind sicher ganz wichtige, Shintopriester oder so.
Nun kommt der Mikoshi, aber er ist auf einem Fahrgestell montiert und nimmt daher nicht die Treppe, an der ich stehe, sondern die Fahrstraße dahinter.
Ist es nicht hübsch, wie in den Zaun der Mikoshi-Plattform ein Torii eingearbeitet ist?
Die Prozession hat unten einen Bogen gemacht und zieht unterhalb des Weges zum Schrein vorbei, so sehe ich den Mikoshi nochmal im Sonnenlicht:
Ich folge nun nicht der Prozession, sondern gehe zum Hie-Jinja Schrein hoch, nachdem ich mich von dem deutsch-australischen Paar verabschiedet habe.
Vor den letzten Treppen zum Schrein ist natürlich nochmal ein großer Torii.
Vor der Haupt-Bethalle hat sich eine Schlange gebildet.
Der Zaun auf der rechten Seite gewährt einen Blick auf die typische Anordnung eines Schreins: hinter der Bethalle (Haiden) folgt zunächst ein Aufgang, in dem Opfergaben dargebracht werden, und ganz hinten weiter erhöht der Honden, der Sitz des Kami, der auch von Priestern nur zu bestimmten Ritualen betreten wird.
Hier nochmal klarer, durch eine Zaunraute fotografiert. Der Honden verfügt über ein asymmetrisches Dach, das vorne tiefer gezogen ist und so den Opfergang mit überspannt, und der Giebel ist mit den typischen Querhölzern belegt. Um die Wände des Honden ist ein kleiner Zaun gezogen, um den göttlichen Raum vom menschlichen sichtbar abzutrennen.
Diese kleinen Zäune findet man auch um die Gehäuse von Nebenschreinen, kleinen Schreinen oder dem beweglichen Mikoshi (siehe oben).
Vom Schrein wende ich mich wieder zurück in die Stadt. Takayama wird von einem kleinen Fluss durchzogen, an dessen Ufer natürlich Kirschbäume gepflanzt sind. Wie gesagt führt die Höhenlage dazu, dass die Kirschen hier etwa eine Woche später dran sind als in den Küstenstädten und daher in voller Blüte stehen.
Im Vorbeigehen bestaune ich nochmal die Festwagen, wie sie die Straße entlang aufgereiht sind.
Inzwischen habe ich Hunger. In einer kleinen Wirtschaft bestelle ich “Takayama Ramen”, die laut Erläuterung durch eine einfache Suppe auf Sojasoßenbasis gekennzeichnet sind. Lecker!
Zurück auf dem Hauptplatz komme ich gerade recht für die zweite Marionettenaufführung. Der mittlere Wagen, (editiert:) Shakkyotai, hat dabei eine besondere Überraschung parat. Die Figur klappt um und verwandelt sich in einen Löwen, der einen Löwentanz aufführt. (Leider sind meine Bilder alle nicht gut, das ist noch das beste davon. Auf youtube nach “Shakkyotai Karakuri” suchen liefert Videos.)
Diese Verwandlung war eine Zeit lang als zu anstößig empfunden worden und diese Aufführung war daher verboten. Eine Tafel an der Garage des Festwagens erzählt die Geschichte.
Nach dieser Aufführung ist erstmal Pause mit den Festivitäten, während die Festwagen für den Nachtumzug vorbereitet werden. Beim Wandern durch die Straßen komme ich an einer Festwagen-Garage vorbei, in diesem Fall für Jimmatai, einen Wagen des Herbstfestes.
Zusätzlich zu der japanischen Beschreibung wurden auch englische Schilder ergänzt, die den Wagen und seine Geschichte beschreiben und ein Foto zeigen. Der hier genannte Kyuhosha ist ein weiterer Festwagen des Herbst-Matsuri.
Nun bin ich beim Hachimangu-Schrein, dem Zentrum des Herbstfestes, angekommen. Hachiman ist Schutzgott der Krieger (Samurai), und damit auch der Pferde. Daneben wird er als Schutzgott der Seefahrer und der Landwirtschaft verehrt. Nach der Verbreitung des Buddhismus in Japan wurde er auch als buddhistische Gottheit anerkannt und verehrt, was die später verordnete Trennung zwischen Shinto und Buddhismus nicht gerade vereinfacht haben dürfte.
Dieses 3,4m x 2m x 1m große Wasserbecken wurde 1877 aus einem einzigen Stein hergestellt, sagt die Tafel nebendran.
Die Haupt-Bethalle macht eigentlich einen relativ neuen Eindruck.
Wie bei einem größeren Schrein üblich, befinden sich drumherum zahlreiche Nebenschreine. Das ganze ist sozusagen ein Götterdorf.
Unter den Nebenschreinen ist auch ein Inari-Schrein (für gute Ernte und geschäftlichen Erfolg) und ein Kotohira-Schrein (für körperliche Stärke und Gesundheit).
Etwas neben der Schreinanlage führen ganz viele Treppen zu einem einzelnen Schrein: dem Akiba-Schrein für die Feuerwehr von 1778.
Daneben befindet sich der Koujin-ishi, der “Irren-Stein”. Wenn jemand, der die Nachbarschaft entehrt hat, diesen Stein berührt, wird er verrückt werden. Der Stein wurde also wohl dazu benutzt, Verdächtige zu testen.
Von der Anhöhe hier bietet sich ein schöner Blick auf den östlichen Ortsteil:
Ich wollte eigentlich den Kitayama-Wanderweg nehmen, aber eine vermeintliche Abkürzung hat mich etwas ins Abseits geführt. Schließlich konnte ich aber doch einen Ausgang finden, ohne den Weg zurückgehen zu müssen.
Dieser schöne Trauer-Kirschbaum entschädigt für das mühevolle Herumsteigen, aber danach bin ich froh, wieder auf festen Wegen zu sein.
Die Bushaltestelle verrät, dass der Stadtteil hier Sakuramachi (Kirschsiedlung) heißt. Warum, leuchtet schnell ein: der Bachlauf ist (natürlich – ist ja fast schon Standard entlang Gewässern) von Kirschen gesäumt.
Die Straße führt mich in die Higashiyama Teramachi (Ostberg-Tempelstadt). Die von Toyotomi Hideyoshi eingesetzte Familie Kanamori herrschte hier 107 Jahre lang und legte diese Tempelgruppe in Anlehnung an den Higashiyama in Kyoto an, wobei Tempel sowohl neu gebaut als auch hierher verlegt wurden. Ich bin eigentlich fürs Tempel-Besichtigen viel zu spät dran, nutze aber die Zeit bis zum Nachtumzug noch, um mir einen Eindruck zu verschaffen.
Am Daioji-Tempel, wo gerade eine Gruppe Kinder herausgekommen ist, wurde ich sogar eingeladen, einen Blick hineinzuwerfen und zu fotografieren.
Auch der Sogenji Tempel bietet durch das Griffloch in der Tür einen Einblick auf seine kostbare Ausstattung.
Im Tenshoji-Tempel noch ein oder zwei Türen weiter gibt es nochmal eine Überraschung: Das Gebäude ist eine Jugendherberge! Wer also günstig in Takayama übernachten möchte und dabei noch die Atmosphäre eines Tempelgebäudes erleben will, liegt hier genau richtig.
Nun war es aber Zeit, zur Nachtparade der Festwagen zu gehen. Weil ich wusste, dass der Zug schon gestartet war, ging ich über Nebenstraßen an einen Punkt hinter dem ersten Schwenk in der Route. Ich hatte mit einem schlimmen Gedränge gerechnet, aber es war eigentlich recht entspannt. Man konnte entlang der Paraderoute vor- und zurückgehen und auch beim Conbini etwas Stärkung einkaufen. Die Festwagen waren gemütlich mit zahlreichen Pausen unterwegs.
Ich muss sagen, dafür dass es Nacht war, bin ich mit den Bildern eigentlich ganz zufrieden.
Einzig der Weg zum Bahnhof war etwas länger. Die Brücke, über die die Festwagen fahren, war auch für Fußgänger gesperrt, man musste also zur nächsten Brücke ausweichen. Auf der anderen Seite traf ich auf die Matsuri-Budenstraße. Hier war es enger als an der Paraderoute.
Was ich vorher nicht recherchiert hatte: der Limited Express Hida fährt nur tagsüber, die letzte Fahrt war um 17:15. So blieb nur der Local Train mit Umstieg in Inotani mit zwei Fahrten mit Toyama um 17:50 und 20:50. Wie zum Hohn kam gegen 20:20 ein Hida Limited Express von Süden an, der aber in Takayama endet. Erst danach wurde die Warteschlange auf den Bahnsteig gelassen. Immerhin für die ersten 68 Minuten nach Inotani bekam ich noch einen Sitzplatz, beim Umsteigen waren mir die Ortskundigen überlegen, die den Anschlusszug nicht erst finden mussten, also war für diese weiteren 48 Minuten Stehen angesagt.
Immerhin, für das kommende Matsuri in Hida-Furukawa bin ich dann schon mal gewarnt, was die Zugverbindungen betrifft.
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