Shiretoko Nationalpark -- winterliche Seenlandschaft, Hirsche und Bärenkonserven 1.5.2016
Für zwei Nächte hatte ich mich in Shiretoko-Shari einquartiert, am nächstgelegenen Bahnhof zum Nationalpark Shiretoko, der eine etwa 70km lange und anfangs 25km breite Halbinsel im Nordosten von Hokkaido umfasst. Von Shari fährt ein Linienbus über das zum Tourismuszentrum ausgebaute Fischerdorf Utoro bis zu den Shiretoko-Goko, einer Gruppe von fünf Seen (go=fünf, ko=see) unweit der Nordküste.
Was ich bei meinen Buchungen im warmen Tokyo nicht bedacht hatte: Hier ist es noch Winter!
Bei meiner Ankunft am 30.4. war es sehr stürmisch, und Wolken versperrten die Sicht auf die Umgebung. Am 1.5. nachmittags war es endlich sonnig, und der Blick auf den ersten See war fantastisch:
Aber das war ein echtes Glück, denn am Morgen hatte es noch anders ausgesehen. Daher erstmal der Reihe nach…
Die Bahnfahrt von Asahikawa habe ich in einem eigenen Eintrag beschrieben.
In Shiretoko-Shari angekommen, erfahre ich, dass heute der Bus nicht bis Shiretoko-Goko (Fünf Seen) fahren konnte, die Straße war noch gesperrt. Wie es morgen aussieht, bleibt abzuwarten. Sehr praktisch: mein Hotel Route Inn Grantia ist gleich gegenüber von Bahnhof und Bushaltestelle.
Am Abend wage ich mich noch in dem Sturm hinaus für einen Spaziergang. Am Fischerhafen sind viele der Boote noch aufgeständert, also nach der Winterpause noch nicht wieder zu Wasser gelassen.
Ein Ziel meines Spaziergangs war, einen Seven-Eleven zu finden und Geld abzuheben. Schließlich sehe ich einen an einer größeren Straßenkreuzung. Unterwegs ist der Gehweg teilweise mit 30cm Schnee bedeckt, offenbar das Ergebnis von Verwehungen.
Am nächsten Morgen hat der Wind nachgelassen, aber es ist trüb. Die Dame vom Bus Terminal erklärt, dass der Bus nur bis zum Nature Center fährt, nicht zu den Fünf Seen. Ich kaufe das Ticket dorthin (1800 Yen), dort soll man immerhin Informationen und einen Film zu sehen bekommen und ein Wasserfall ist mit einer kurzen Wanderung erreichbar.
Der Busfahrer spielt ein wenig Fremdenführer, verlangsamt seine Fahrt bei Sehenswürdigkeiten oder hält gar mal kurz an. Vor Utoro passieren wir die Oshinkoshin Wasserfälle. Sie stürzen links schräg am Hang herunter, daneben gibt es Treppen zur Nahbesichtigung. Nett wäre es schon, hier auszusteigen und die Wasserfälle aus der Nähe zu sehen. Aber der nächste Linienbus fährt in drei Stunden, also muss ein Foto durchs Busfenster genügen.
Unterwegs eine gute Nachricht: vor Utoro verkündet der Busfahrer, dass die Straße zu den fünf Seen geöffnet wurde, er wird also bis zur planmäßigen Endstation dort fahren. Unterwegs weist er uns auf einen Zwerghirsch hin (bereits haltende Autos waren ein Zeichen) und hält kurz an für ein Foto aus dem Bus.
Das ist übrigens die gleiche Tierart, die auch die Parks von Nara bevölkert. Das dicke Winterfell ist einfarbig graubraun, das Sommerfell ist rotbraun mit hellen Tupfen.
Am Nature Center steige ich nicht aus, schließlich hatte ich mich ja vor allem auf die Fünf Seen gefreut. Kurz vor dieser Endstation, bei Iwaobetsu, macht die Straße sogar ein paar Serpentinen.
Am Parkplatz der Fünf Seen sind die Männer noch mit Schneeräumen beschäftigt. Sowohl die Straße über den Shiretoko-Pass nach Rausu als auch der Schotterweg von hier zu den Kamuiwakka Warmwasserfällen sind noch gesperrt.
An den Shiretoko-Seen gibt es einen aufgeständerten Weg, der behindertengerecht drei Aussichtsplattformen erschließt und den Blick auf den ersten der fünf Seen ermöglicht. Ein Elektrozaun hindert Bären daran, diesen Touristenweg zu erklettern. Daneben gibt es zwei Wege am Boden, von denen der kürzere auch den zweiten See und der längere alle fünf Seen erreicht. Die Wege am Boden sind vom 10. Mai bis Ende Juli, der sogenannten „Bear-aware Season“, nur in Gruppen mit Führer zugänglich, vorher und nachher nach einer Einweisung auch im Alleingang.
Beide Bodenwege waren wegen der Schneelage gesperrt, also gab es auch keine Einweisung mit Zertifikat.
Die Sicht war leider sehr schlecht, es war neblig, wobei die Lage immer wieder ein wenig wechselte.
Am Ende des aufgeständerten Weges befindet sich eine Schleuse, wo die Wanderer vom Boden heraufgehen, um den aufgeständerten Weg als Rückweg zu nutzen. Ein Abstieg zum Boden ist dagegen nicht erlaubt.
Auf dem Rückweg wurde das Wetter ein bisschen sichtiger.
Es war denkbar, dass es weiter aufklaren würde, allerdings gab es außer dem aufgeständerten Weg ringsherum nichts zu tun. Der Bus zurück ging entweder um 10:40 oder um 14:00, ich entschied mich, mit dem ersten Bus zum Nature Center zu fahren.
Das Nature Center ist ein, wie in Japan üblich, sehr gut gemachtes Informationszentrum über die Tierwelt und die Arbeit der Parkschützer. Hier eine Informationstafel zur Lebensweise des Bären.
Kurz nach meiner Ankunft, um 11 Uhr, begann ein 15-minütiger Kurzvortrag über das Eichhörnchen. Beamerbilder wurden ergänzt durch geschriebene Anmerkungen, Live-Kamerabild eines Skeletts und herumgereichte Modelle wie z.B. eine Eichel, die im Verhältnis zur Handgröße auf Menschen vergrößert wurde. Ganz schön schwer auch!
Anschließend haben mich die Furepe Wasserfälle interessiert, die mir auch in der Tourist Info für den Fall, dass die Fünf Seen nicht zugänglich wären, als Ziel genannt worden waren. Sie sind von Nature Center aus auf einem kurzen Fußweg erreichbar.
Auf dem Weg wurde der Schnee immer dünner, während er im Wald noch dick gelegen hatte. Offenbar hatte der Wind vom Meer her den Schnee auf der offenen Grasfläche schon weitgehend weggeblasen, so dass die Sonne den Rest leichter schmelzen konnte.
Der Wasserfall selber war nicht spektakulär, eher ein Rinnsal, das der Berg da „ausweint“. Es handelt sich nicht um Oberflächenwasser, sondern um Quellen in der Felswand.
Eindrucksvoll fand ich am diesen Punkt, wie das Meer hier an den Klippen aufschlägt.
Auf der schneefreien Wiese finden sich sofort zahlreiche Hirsche, die sich das wieder zugängliche Gras schmecken lassen.
Spannend, wie dieser Baum aus der Spalte des Stammes weitere Äste treibt:
Laut der Landkarte im Center handelt es sich hier um Urwald. Er setzt sich aus Birken, anderen Laubhölzern, und einzelnen Nadelbäumen zusammen.
Ich war mit dem Bus um 10:53 am Nature Center angekommen. Der nächste Bus würde um 14:13 fahren, ich beschloss daher, zu Fuß nach Utoro zu gehen, etwa 5km und eher bergab.
Überall auf Hokkaido finden sich solche Pfeile, die von oben auf den Straßenrand zeigen. An der linken Seite sind sie rot-weiß gestreift, an der rechten Seite weiß mit gelber Spitze. Ich vermute, sie dienen dem Schneepflug oder anderen Fahrzeugen zur Orientierung, wenn die Fahrbahn zugeschneit ist.
Kap Puyuni ist ein Aussichtspunkt mit Blick auf Utoro.
Dieser Rabe ist offenbar beim Nestbau, er hat ein Büschel im Schnabel, das doppelt so groß ist wie sein Kopf.
Bei Utoro machen sich zwei Schneefräsen auf den Weg zum Einsatzort, vielleicht um den Shiretoko Pass freizumachen. Die beiden Schneefräsen werden von einem Schneepflug gefolgt.
Inzwischen habe ich Utoro erreicht. Das ehemalige Fischerdorf hat sich als Gateway zum Nationalpark touristisch aufgestellt. Es gibt Fahrrad- und Bootstouren zu chartern, nur nicht jetzt.
An diesem Karussell drehen sich Fische, wohl um die Trocknung zu beschleunigen.
Durch den Tunnel in diesem Felsen geht es zum Hafen für Ausflugsboote.
Eine sehenswerte Ausstellung bietet das Shiretoko World Heritage Conservation Center in einem Flachbau nahe dem Hafen von Utoro. Hier bieten zahlreiche Informationstafeln, Modelle und Experimente für alle Altersgruppen Auskunft über die Tierwelt und die Zusammenhänge im Nationalpark und Weltnaturerbe Shiretoko.
Ein Faktor ist das Drifteis, das sich wegen des Süßwassereintrags des Amur an der Oberfläche des Okhotskischen Meeres bildet, und dessen hoher Planktongehalt für die Nahrungskette im Park eine Rolle spielt. Nach seiner Bildung schwimmt es auf dem Meer und erreicht einige Monate später im März die Küste von Shiretoko. Zum Park gehört übrigens neben der Landfläche der Shiretoko-Halbinsel auch ein Streifen des umliegenden Meeres.
Nebenan gibt es ein Restaurant mit Imbiss, dort hat man die Wahl zwischen Hirsch-, Braunbär- und Lachs-Burgern. Der Braunbär schmeckt gar nicht schlecht!
Inzwischen ist strahlend blauer Himmel. Ich fahre mit dem Bus um 15:10 nochmal zu den fünf Seen (an 15:35). Eine gute Entscheidung! Die Landschaft präsentiert sich nun viel schöner als am Vormittag. Sowohl die Straße zum Shiretoko-Pass als auch die zu den Kamuiwakka-Warmwasserfällen sind nach wie vor gesperrt. Auch an den Seen sind die Bodenpfade weiterhin zu und das soll laut Personal auch in den nächsten Tagen noch so bleiben. Meine Route ist also die gleiche wie am Vormittag: der aufgeständerte Weg.
Im 20. Jahrhundert waren Teile des Shiretoko landwirtschaftlich genutzt, und verwilderten anschließend. Ein Landkaufprojekt ermöglichte es Spendern, jeweils 100m² Park zu kaufen, und ein Aufforstungsprojekt versucht den Urzustand wiederherzustellen. Wo Altbäume fehlen, müssen Windzäune die jungen Bäume schützen, die sich sonst im Sturm nicht entwickeln könnten.
Hinter dem Parkplatz für die fünf Seen befinden sich zwei nebeneinanderliegende Gebäude. Das rechte ist das Informationszentrum, in dem über die aktuelle Lage informiert und die Einweisung für die Bodenwanderung abgehalten wird. Links daneben befindet sich ein Imbiss und Shop.
Zum Abschluss noch ein Foto nach der Rückkehr nach Shari, aufgenommen neben dem Hotel, mit Mt. Shari hinter dem Ort.
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